Der kleine Martin und der Übergang



Kapitel 1




Gewitterwolken zogen über die Erde und schwärzten die Länder in eine Dunkelheit, wie man es nie zuvor gesehen hatte. In allen Bereichen der Erde erhob sich etwas kosmisch Unbekanntes und zwang jeden Menschen, alle Tiere und alle Lebewesen in einen Bann. Nichts war zu hören, kein Laut, der wahrnehmbar wäre. Kein Vogelgezwitscher, keine Grillen die zirpten. Das Wasser kam zum Stillstand und vom wild reißenden Fluss bis zum sanft fließenden Bach hörte alles auf in seinem Fluss zu sein. Fahrzeuge bewegten sich nicht mehr. Alles kam zum Stillstand. Das einzig Wahrnehmbare war der eigene Herzschlag, der wie ein Paukenschlag den Körper durchdrang. In seinem Rhythmus war eine Präsenz der Ewigkeit erkennbar. Obgleich jeder Herzschlag sich wiederholte, so fühlte man das Pochen der Ewigkeit und der Herzschlag verschmolz mit dem nächsten........ und diese wieder mit dem nächsten. Somit verstärkten sich die Herzschläge vom einen aufs andere Mal, bis eintrat was unausweichlich sein musste. Propheten schrieben vor tausenden von Jahren über ein Ereignis, welches zu einer Reinigung und zum Ende eines Zeitalters führen soll. Bücher wurden verfasst, Hellseher scharten sich um dieses Ereignis und wühlten die schon prägnante Situation noch weiter auf. Angst die sie schürten, waren wie Messerstiche in einer bereits vorhandenen Wunde. Doch davon behaftet ließen sich die Menschen weiterhin auf die Vorhersehungen ein und wälzten sich, durch die Angst verstärkt, noch weiter in den menschlichen Abgrund. Viele flüchteten aus Angst in spirituelle Themen und umklammerten jeden Strohhalm, der sich auf ihrem Weg anbot. Doch nichts geschah aus der Liebe, wenngleich sie auch die Liebe suchten. Nur sehr wenige Menschen verstanden die tiefgründigen Botschaften, die ihnen jahrelang zugetragen wurden. Gezielt wurden die tugendhaften Lehren abgewehrt, um weiterhin immer wieder den Schrecken in den Leibern der Menschen zu entfachen. Und so geschieht es jetzt, was geschehen muss, um dem Wahnsinn auf Erden ein Ende zu setzten. Nur wenige vermochten die gegenwärtige Tatsache zu verstehen, denn die Täuschung auf Erden war groß und unheimlich. Die Menschen standen alledem regungslos und ohne Ahnung gegenüber und waren wie versteinert. Eine emotionslose Starre. Es geschieht.......



noch vor einigen Monaten.............


lebte in einem kleinen Dorf ein Paar. Sie hatten gemeinsam einen kleinen Jungen, namens Martin. Er war gerade mal 8 Jahre alt und das Glück der beiden Elternteile. Die Eltern von Martin waren noch jung und spürten noch ihre eigene Kindheit in ihren Leibern. Sie hatten selbst nie verlernt Kind zu sein und konnten sich in die Spiele und Abenteuer ihres kleinen Martins sehr gut einfühlen. Doch es kam eine Zeit, in der sich die auch vorhandene Besorgnis von Martins Eltern steigerte. Die Wirtschaft schien immer rasanter zu stagnieren, Kriege breiteten sich aus und die Menschen wurden immer ohnmächtiger und herzloser. Sicher gab es Menschen, die dem standhielten und in ihrem Grundvertrauen weiterhin ihre harmonische Ausstrahlung behielten, doch die negative Gesamtsituation steigerte sich schon fast ins Unerträgliche.

Die Situation veranlasste die Eltern zu mehrmaligen Diskussionen, so auch dieses mal.


In einem nächtlichen Gespräch, Martin war bereits in seinem Bett und schlief, diskutierten die jungen Eltern, wie sich die Zukunft weiter entwickeln könnte und wie sie sich ihrem kleinen Kind gegenüber verhalten sollten.Sie wünschten sich nur, dass ihr Kleiner ein freudiges und wunderbares Dasein erleben sollte. Beide Elternteile waren sehr belesen und sie kannten die Prophezeiungen und Geschichten, die berichtet werden.

Sie wussten, was man sich so erzählte, Einbruch der Wirtschaft, über Kriegsherde, Manipulationen gegenüber der Gesellschaft usw.


Nun war die Zeit gekommen, dass der Vater mit Martin über einiges sprechen wollte. Er stellte sich vor den Kleinen hin, ging vor ihm in die Knie und war nun auf seiner Augenhöhe. Er blickte dem kleinen Martin in seine wunderschönen, kindlichen blauen Augen und meinte: „Martin, kannst du dich erinnern, als du vor ein paar Wochen mit deinem Freund vereinbart hattest, Indianer und Cowboy zu spielen?“ „Ja Vater,“ erwiderte der Kleine „Es hat so viel Spaß gemacht, als wir uns dann endlich zum Spielen getroffen haben und ich durfte der Indianer sein“ Der Vater setzte ein freudiges Lächeln auf, denn er verspürte noch seine Kindheit und wie viel Spaß es ihm machte. „Nun“ sagte der Vater „was hältst du davon, wenn wir Indianer spielen, doch nicht nur für ein paar Stunden sondern für seeehr lange Zeit, vielleicht sogar ein paar Monate“. Martin riss seine blauen Augen so weit auf, dass man froh sein konnte, dass sie ihm nicht heraus fielen. Er fing an zu hüpfen und lief in dem kleinen Haus herum und wusste nicht, was er noch alles tun sollte um seiner Freude Ausdruck zu verschaffen. Die jungen Eltern konnten nicht anders und lachten mit dem kleinen Martin, obwohl sich auch Tränen mit dem Lachen vermischten. Die eine Träne entsprang der Freude und die andere Träne galt der Angst und Trauer über die Geschehnisse, die nicht mehr weit entfernt waren. Und doch befand sich Liebe in der der Luft, die man sich gegenseitig schenkte. Jedem der Eltern war klar, dass nur eines zählt, die kindliche Reinheit und Unbefangenheit ihres kleinen Jungen zu bewahren.


Die Tage rückten immer näher und die Eltern fingen an das Nötigste zu besorgen. Ihr Entschluss stand fest. Mit einem Zelt, zwar nicht unbedingt ein Indianerzelt, doch das störte Martin überhaupt nicht, in den nahe gelegen Wald zu gehen um dort die vorhergesagten Umbrüche auf sich zukommen zu lassen. Der Vater packte alles ein, was man zum Überleben benötigte. Konserven, Landkarte, Feuerzeug, Messer, etwas zum Angeln und er besorgte sich ein Gewehr mit der dazugehörigen Munition. Somit begaben sie sich zu dem Waldstück, welches die Eltern bereits Wochen zuvor dafür ausgesucht hatten. Es lag tief im Wald, sehr schwer zugänglich und im Zentrum befand sich eine kleine Lichtung. Wenn man die momentanen Umstände unberücksichtigt ließ, wäre es ein kleines Paradies gewesen. Doch hinter der scheinbaren Gelassenheit der Eltern, standen Angst und Verzweiflung. Es gab keine bestimmbare Zukunft, wie man es gewohnt war. Nichts was man vorherbestimmen konnte. Die Eltern wussten nicht, ob sie alle überhaupt eine Stunde überleben würden. Überall hörte man aus der Ferne bereits ein Gefechtsfeuer und Kampfflugzeuge schossen durch den Himmel. Es war die Hölle. Einzig und allein der kleine Martin, der in seinem kindlichen Spieltrieb seinen Spaß hatte. Er verstand nicht was geschah. Nie wurde darüber gesprochen und wenn eine Frage von Martin kam, sagten die Eltern: „Weißt du mein Kleiner, das gehört zum Spiel, was wäre es ohne diese Trommeln die du hörst, dieses Dröhnen macht es doch viel spannender!“ Dies verstand Martin aufs Wort und freute sich noch mehr auf ein niemals endendes Abenteuer! Das im Wald aufgeschlagene Zelt bot ihnen vorerst den nötigsten Schutz, doch bald merkten sie, dass es nicht mehr reichen wird. Irgendwie schlich sich aber ein Gefühl ein, dass sich etwas ereignet, sich etwas anbot, das die momentane Situation erleichtert. Sie wussten nicht weshalb oder woher dieses Gefühl kam. Es war wie eine beruhigende innere Stimme, die in beiden Elternteilen gleichzeitig hoch kam. So reagierten sie darauf und am nächsten Tag machten sie sich gemeinsam weiter auf den Weg, ohne zu wissen wohin. Nach ca. 1 Stunde, trauten sie ihren Augen nicht! Sie standen vor einem Holzhaus und nach vorsichtiger Erkundung merkten sie, dass, so schien es, verlassen sei. Martin war wie immer der mutigste von den dreien, denn er glaubte an das Spiel. Die Eltern fingen nun an Martin zu beobachten. Nach ungefähr einem Monat merkten sie plötzlich, dass sie anfingen Martins Spiel zu spielen. Sie wurden trotz der hörbaren Unruhe immer mutiger und fingen an diese kindliche Eigenschaft zu übernehmen. Diese Hütte, die sie sich vorübergehend zu eigen machten, wurde zu einem Spielplatz und brachte die Eltern zumindest teilweise aus ihrer Verzweiflung. Doch der Tag kam, an dem die Nahrungsmittel immer weniger wurden und die Eltern nicht wussten wie sie es schaffen sollten, sich weiter zu ernähren. Wieder kam eine Stimme die sagte: „Höre auf deine Intuition und vertraue ihr, der Wald bietet dir alles was du brauchst, lass dich führen, geh heraus aus deinen Zweifeln.“ Das war etwas, was in dieser Situation gar nicht so einfach war. Sie merkten jedoch, dass mit den Tagen alleine im Wald, ohne die täglichen gesellschaftlichen Einflüsse, sich etwas in ihnen ausbreitete. Wie eine Energie, die sich spürbar ihren Weg bahnte. Doch wussten sie es nicht zu erklären.


Sie machten sich darüber weiters keine Sorgen, denn es gab ihnen nichts zu essen. Das war jetzt ihre größte Sorge. Vor lauter Denken bemerkten sie gar nicht, dass Martin verschwunden war. Sie schreckten auf und suchten in der Umgebung, wollten jedoch nicht rufen da sie Bedenken hatten, dass die Rufe auf falsche Ohren trafen. Sorge machte sich breit. Doch dann auf einmal, sahen sie den Kleinen, der mit freudigem Gesicht aus dem Dickicht hervor schlüpfte und......was tat er da. Er aß etwas und sagte nur: „Mami, Papi, ich bin ein echter Indianer, jemand sagte mir, Indianer, geh in den Waldabschnitt hinter der Hütte, dort sind zwei Bäume die aussehen wie ein Tor, krieche durch das Gestrüpp, dahinter wirst du eine Heide mit allen möglichen Beeren finden, vertraue mir.“ Die Eltern trauten ihren Ohren nicht und fragten natürlich: „Wer hat dir das gesagt?“ „Ich weiß nicht wer sie waren, sie waren nur schön und haben geleuchtet und ich wusste, dass sie gut sind“ erwiderte Martin. „Zeig uns diesen Platz“ meinten die Eltern. Und so gingen sie los und Martin brachte sie zu diesem Beerenplatz. Er war übervoll und überall ließen sich Beeren pflücken. Der Vater machte sich sofort an die Arbeit und riss die Beeren vom Strauch, als gleich Martin schrie: „Vater was tust du da?“ „Na ich pflücke die Beeren!“ „Das darfst du nicht“ sagte Martin. „Weshalb darf ich das nicht“ fragte der Vater. „Weil du es nicht mit Respekt und Achtsamkeit machst!“ Dieses Mal stand der Vater mit weit aufgerissenen Augen da, sodass man glauben könnte sie würden ihm bald aus den Augenhöhlen fallen. Martin sagt: „Sie sagen, wir sollen dankbar sein und alles der Natur wieder zurückführen“. „Wer sagt das“ fragte jetzt die Mutter. „Das weiß ich nicht, doch sie sind gut und sie sagen sie lieben uns und sie werden uns helfen. Wir sollen auf unsere Intuition hören, ihr vertrauen, der Wald bietet uns alles was wir brauchen, wir sollen uns führen lassen und aus den Zweifeln gehen.“ Jetzt standen beide Eltern im Gestrüpp und wurden bleich. Von wo kamen diese Worte, es sind dieselben, die sie hörten. Doch wie kam Martin dazu, den er gebrauchte nie solche Worte und eigentlich versteht er sie auch nicht, nicht mit 8 Jahren. Doch nun fingen sie an achtsamer zu sein und überlegten was nun zu tun ist. Die Aussage von Martin, die Beeren nicht pflücken zu dürfen, nur mit Respekt und Achtsamkeit? Sie überlegten und fingen an die Beeren sanft zu pflücken, schauten dabei Martin an und fragten „so?, ist es so richtig?“ „Nein“ erwiderte Martin. Nun fragte der Vater: „So du großer Häuptling, zeig uns wie wir es richtig machen sollen“ Sogleich kniete sich der Kleine hin, sah die Pflanze mit einem kleinen Lächeln an und pflückte eine Beere. Die Eltern glaubten ihren Augen nicht zu trauen, doch es schien, als würden die Pflanze und der kleine Martin kommunizieren. Es entstand eine fast nicht sichtbare Verbindung zwischen den beiden. Nun pflückte Martin die Beeren, nahm eine davon, grub ein kleines Loch und setzte eine Beere davon in die Erde. Bevor er das alles vollendet hatte, verbeugte er sich vor dem Beerenstrauch und stand auf. „So geht das, versteht ihr das?“ „Äh, ja, klar, wir verstehen“ stammelten die Eltern. Nun beugte sich der Vater vor, schaute den Strauch an und noch bevor er die Hand ausstreckte sagte Martin: „Papa, du sollst den Strauch lieben, verstehst du. Er schenkt dir seine Früchte, sei dankbar.“ Nun verstand der Vater was gemeint war, jedoch erschien es nicht einfach. Er war es gewohnt sich beim Supermarkteinkauf die Dinge einfach zu nehmen, ohne sich Gedanken zu machen etwas dafür in Ehren halten zu sollen. Also fing er an sich vorzustellen, dass der Strauch mit ihm kommuniziert, auch wenn es ihm schwer fiel und er es sich vorerst nur einbildete. Es ging anfangs nur auf diese Art und Weise. Doch dann bemerkte er auf einmal, dass ein Gefühl der Liebe sich ausbreitete, eine Dankbarkeit, die sich immer weiter ausdehnte. Es wurde ihm fast schwindelig und der Boden fing an sich zu bewegen, zumindest fühlte es sich so an. Martin fing an lauthals zu lachen, als er sah wie sein Vater den Strauch anhimmelte. „Siehst du, jetzt verstehst du“ schrie er und lief lachend in Richtung Haus. Jetzt hatte die Familie vorab genügend zu essen und noch lange wurde über diese Geschehnisse gesprochen. Den Eltern wurde klar, dass sie noch vor Monaten in einer tiefen Unbewusstheit lebten. Diese Selbstverständlichkeit und auf ein modernes Leben ausgerichtete Sichtweise ließ ihre Dankbarkeit gegenüber der Natur vergessen. Sie lernten schnell und fingen an die Liebe und Dankbarkeit allem gegenüber als selbstverständlich anzusehen.


Doch die Beeren wurden schön langsam weniger und bald wiederholte sich die Situation, wie schon vor einigen Wochen. Die Eltern machten sich Gedanken, was wohl bald Essbares zu finden sei. Die Angelrute und das Gewehr waren die letzte Hoffnung, wenn es um das Überleben ging. Der Vater war damit nicht vertraut, er war weder Fischer noch Angler und schon gar nicht Jäger. Er dachte sich nur, dass es wohl sehr einfach sei. Wenn man ein Wild sieht, abdrücken, alles andere wird sich dann schon zeigen. Auch die Frage, was zuerst, angeln oder Wild erlegen, war eher eine rationelle Frage. Wild ergibt mehr Essbares auf längere Sicht gesehen. Auch warteten die beiden auf die Stimme und ob sich eventuell eine Alternative als Vorschlag anbieten würde. Doch vergebens! Also packte der Vater das Gewehr, lud es mit Patronen und begab sich auf die Jagd. Obgleich er auch Bedenken hatte, dass man ihn hören konnte und vielleicht ungebetene Gäste anziehen könnte, vertrieb der Hunger die Vernunft. Im Dickicht liegend wartete der Vater mit dem Gewehr im Anschlag, an einer Stelle wo sie schon des öfteren Rehe gesichtet hatten. Damals sprachen sie mit Martin noch über ihre Eleganz und Schönheit, doch nun versuchte der Vater diese Gedanken zu verdrängen. Nach bereits einer Stunde hörte er ein Rascheln und sogleich trat ein kleines Rehlein ganz in seiner Nähe auf eine kleine Lichtung. Der Vater nahm es ins Visier, atmete tief durch, sein Herz raste, dass man glaubte es Kilometer weit hören zu müssen. Seine Venen fingen an sich aufzuplustern, der Hals fühlte sich geschwollen an und an den Schläfen traten die Venen hervor. Seine Augen schärften sich und schienen wie von bösartiger Natur. Die Liebeswürdigkeit schwand in nur ein paar Sekunden. Nachdem er das Rehlein zielsicher anvisiert hatte, beugte sich sein Finger zum Abzug. Der Widerstand des Abzuges zog jede Aufmerksamkeit auf sich und der bevorstehende Knall war bereits jetzt schon hörbar, obwohl ein Schuss noch nicht gefallen war. Der Vater war in einem so tiefen Zustand der Aufmerksamkeit, dass in diesem Moment nichts anderes mehr existierte. Kein Gedanke, keine Gefühle, nur Wachsamkeit und Aufmerksamkeit und dann geschah es! Er sah vor seinem inneren Auge was weiter geschehen würde, wenn er das Tier töten würde. Er sah, wie das Reh zu Boden fiel. Er sah wie er darauf zu rannte. Er blieb in dieser Vision vor dem Reh stehen, sah ihm direkt in die Augen. Er spürte das Brennen der Kugel in seinen Eingeweiden. Er spürte die Schmerzen des Tieres und ein Flehen es endgültig aus diesem Schmerz zu befreien. Der Tod stand neben ihm und Schauer überkamen ihn. Gefühle der Schuld überflogen seine Gestalt. Alles um ihn herum schien in hoffnungsloser Trauer zu liegen. Diese eine Tat, die noch nicht einmal geschehen war, wurde bereits durch seine Gedanken zu einer möglichen Realität und zeigte ihm in einer Vision, welche Auswirkungen dies auf das gesamte Umfeld hat. Er zog seinen Finger vom Abzug zurück und brach zusammen. Nie hätte er sich vorstellen können, was passiert, dass es so schwer ist ein Tier zu töten. Die Wesenheit eines Tieres so intensiv wahrnehmen zu können, den Schmerz zu fühlen den das Tier erleidet! Was um Himmels Willen haben wir Menschen die ganzen Jahre, Jahrhunderte getan? Fleisch war ein fester Bestandteil unseres früheren Lebens und nun die Erkenntnis, wie einfühlsam und harmonisch diese Tiere sind und mit welcher Brutalität wir dem gegenüberstehen. Mit einer Selbstverständlichkeit wurden in der uns gewohnten Nahrungskette Millionen von Tieren hingeschlachtet! Er fiel in eine Trauer wie er sie noch nie erlebt hatte. Er weinte so sehr, dass ihm die Tränen wie ein Fluss in seinem Gesicht über die Wangen liefen. Dabei schluchzte und jammerte er wie ein kleines Kind, das den Schmerz unkontrolliert aus sich heraus brüllt. Er entschuldigte sich für alle seine vergangenen Vergehen den Tieren gegenüber. Dem Rehlein aber, dass immer noch regungslos auf dieser kleinen Lichtung stand, dankte er von ganzem Herzen, für diese Lehre die ihm zuteil wurde. Diese Dankbarkeit war so enorm und herzlich, dass er eine Verbindung aufbaute, die ihm bekannt war. Es war so ähnlich wie damals bei dem Beerenstrauch. Ein Gefühl des Schwindels überkam ihn, er fühlte sich größer, leichter, fast so als würde er bald vom Erdboden abheben. Er wusste nicht wie ihm geschah und doch ließ er es zu. Er konnte nicht anders, denn dieses Gefühl war von so einer Herrlichkeit, wie er es noch nie zuvor kannte. Das Rehlein aber, fing an sich zu bewegen, wohl schon scheu und sehr schreckhaft. Nun konnte der Vater, der nur vor wenigen Augenblicken vor hatte das Tier zu töten, fast nicht glauben was geschah. Das Tier steuerte direkt auf ihn zu, blieb nur ein paar Zentimeter vor ihm stehen und blickte ihm direkt in die Augen. Nun traten die nächsten Tränen hervor, doch dieses Mal waren es die Tränen der Herrlichkeit. Er trat wie in Verbindung mit dem Reh und spürte, ähnlich wie beim Beerenstrauch, nur wesentlich intensiver, eine Einheit und Verbundenheit. Fast so als wären sie Eins. Nun verstand er, dass, hätte er das Tier getötet, auch ein Teil von ihm getötet worden wäre. Er spürte die Dankbarkeit des Tieres, das sich nach diesem kurzen und doch so intensiven Ereignis umdrehte und wieder seinen Weg ging. Der Vater nahm sein Gewehr, nahm die Patronen heraus und brachte alles unter die Erde. Er setzte sich in Bewegung um seiner Frau und Martin das Geschehen zu berichten. Zuhause in der kleinen Holzhütte angekommen, grinste der kleine Martin schon und sagte: „Papa, du bist kein guter Jäger, aber ein lieber Mensch“. Die Mutter fragte: „Weshalb sagst du das? Du wusstest doch nicht, ob er etwas erlegen würde?“ „Doch, die Leuchtwesen haben es mir erzählt und dass sie Vater lieben, sich freuen für die Ehrenhaftigkeit, das Mitgefühl und darüber, dass die Harmonie im Wald erhalten bleiben durfte.“ Langsam hatten sich die beiden Eltern an die neue Aussprache von Marin gewöhnt und bedankten sich bei ihm und bei den Wesen.


Es waren bereits gut 2 Monate die sie im Wald verbrachten und ihr Respekt Martin gegenüber wuchs von Tag zu Tag. Sie spürten selbst die Anwesenheit von Wesen, die sie zwar nicht sehen konnten, doch die Stimme drang auch immer tiefer in ihr Bewusstsein und es kamen bei allen Dreien die gleichen Worte oder dieselben Gefühle. Trotz der Unruhe, die noch immer über den Ländern hing, spürten sie eine schützende Energie, die sich in ihrer Umgebung ausbreitete. Anfängliche Ängste verflogen und schon bald spürten sie, wie ein kleines paradiesisches Gelände um sie herum entstand.


Martin wurde zum Lehrer und die Eltern zu aufmerksamen Schülern. Wenn Gedanken aufkamen, so fragten sie und bald erhielten sie Antwort. So war es auch, als die Nahrungsmittel zu Ende waren. Als dies passierte, sagte die Stimme „Vertraue, höre aufmerksam, es ist gesorgt“ Irgendwann kam Martin und in seiner Hosentasche hatte er, wie schon immer, etwas Essbares. Nur dieses Mal war es sehr ungewöhnlich, es waren frische Blätter! Natürlich fragten jetzt wir wie kleine Kinder: „Martin, was isst du da, schmeckt das, wird man satt?“ und hörten zu, was er uns zu sagen hatte. Mmmh, die schmecken voll lecker, nicht alle, die bitter sind esse ich nicht, doch da sind welche die super gut schmecken und schnell satt machen. Sie haben mir gesagt, dass essen nur Erinnerung ist. Wir essen nur das, was unser Kopf sagt was gut ist und satt macht. Doch das war früher so. Und sie sagten, wenn wir mit Achtsamkeit, Liebe und Dankbarkeit die Blätter essen, dann werden sie besonders gut und 2 Blätter sind ausreichend um satt zu werden (Lichtnahrung).“ Nun fielen die beiden Eltern nicht mehr in Verwunderung, sondern wussten, dass es so ist. Martin hat es ihnen gesagt! Sie taten, was sie gelernt haben und ja es stimmte, sie wurden sofort satt und einen Geschmack hatten sie auch. Nun war die größte Hürde, die Angst zu überwinden, geschafft. Die Angst bezüglich der Nahrung.


So verliefen die Tage und der Schatten über den Ländern war überall, nur nicht über einer kleinen Lichtung im tiefen Wald. Da erstrahlte es und nichts vermochte diese Stelle mit einem Schatten zu überziehen. Nach dreieinhalb Monaten fing es sehr sanft an wie zu regnen, doch war es nicht auf der Haut spürbar und es war kein Wasser. Es waren auch keine Tropfen und man wurde nicht nass. Es war sehr seltsam, denn es waren lauter kleine Punkte zu sehen und doch waren sie nicht hier. Die Farbe war wie ein leuchtendes Goldgelb und doch war keine Farbe zu sehen. Ein sehr seltsames Ereignis. Ein Nieselregen, der kein Nieselregen ist, ein Regen der nicht nass macht, eine Farbe die aber keine Farbe ist und das alles so gut wie nicht sichtbar. Martin sprang in die Luft und schrie und freute sich, fast wie damals als der Vater meinte sie gingen in den Wald um Indianer zu spielen, doch dieses Mal mit viel mehr Freude! „Martin, was ist los? Bitte erzähle was hier geschieht? Hast du Nachricht von deinen Leuchtwesen?“ Martin sagte mit großen leuchtenden Augen: “Es ist soweit, sagen sie! Jetzt bekommen wir unser Geschenk!“ „Was meinst du mit Geschenk?“ fragte die Mutter. „Ich weiß es nicht, sie sagen nur dieses Geschenk hat keine Schachtel und kein Schleifchen und wir brauchen es nicht aufzumachen. Wir sollen in das Haus gehen und warten, es kommt von alleine“ Es gab keine weiteren Fragen, die einer Antwort bedurften und so gingen alle Drei voller Vertrauen, Liebe und Zuversicht, Hand in Hand in das kleine Häuschen und warteten.


Dieser Nieselregen wurde immer stärker, immer leuchtender und durchdrang alles. Das Haus, die Einrichtung, die Pflanzen, ja sogar Martin und die Eltern. Einige Male konnten sie wie ein leichtes Brennen wahrnehmen, doch es war als gleich wieder weg. Dabei wurden sie immer müder und die restlichen, kurz aufflackernden Gedanken versiegten. Ihre Körper wurden müder und fingen an zu schwingen, ähnlich wie in einem kleinen Boot das mit den Wellen schwankte. Ruhe trat ein, so sehr, dass sich eine tiefe Zufriedenheit einstellte. Das Feuergefecht in der Ferne, an das man sich bereits gewöhnt hatte, es verstummte! Alles lag im Frieden und sie schliefen ein, mitten in diesem goldgelben Nieselregen.


Wieviel Tage vergingen kann nicht gesagt werden, denn als die Eltern und der kleine Martin aufwachten, erschien alles anders als man es kannte. Was war geschehen? Es gab kein Gefühl mehr zu einer Zeit und die Spanne zwischen zwei Geschehnissen, was normalerweise die Zeit ist, war verschwunden. Als die Mutter aus dem Schlaf an die Türe trat, tat sie es ohne jeglichen Gedanken, der uns normalerweise einen Grund gibt an die Türe zu gehen. Es war alles selbstverständlich und als würde das, was geschehen sollte, bereits geschehen sein! So verschmolzen Gegenwart und Zukunft! Wie war das möglich? Doch die Frage, die in diesem Moment bei der Mutter auftauchte beinhaltete auch bereits im gleichen Moment die Antwort, da es zeitlich nicht mehr getrennt war. Als sie die Türe öffnete, war auch das was sich im Haus veränderte ein Bestandteil von gegenwärtig und Vergangenem. Die Frage was ist passiert und weshalb sehe ich so viele Farben, die ich nicht kannte! Es war einfach so und man wusste. Alles schien verändert und doch war alles wie vorher. Alles fand sich in leuchtenden Farben um und in den Gegenständen. Sie schienen größer, obgleich die Größe dieselbe war. Sie schienen neu, obwohl die Einrichtung alt war. Sie schienen durchscheinend, dennoch war sie feste Materie. Die Natur, schien nicht mehr dieselbe zu sein und als der Vater Martin ansah, erkannte er ihn als seinen Sohn, doch mit einer enormen Präsenz an Reife. Sein kindliches Aussehen wurde ergänzt durch enorme Weisheit.


Als Martin uns etwas sagen wollte, sagte er es nicht mit Worten, wir konnten lediglich seine Stimme wahrnehmen und seine warmherzige Ausstrahlung zeigte uns, dass er tatsächlich mit uns kommunizierte. „Liebe Eltern, ich bedanke mich bei euch, dass ihr mich als euren Sohn aufgenommen und mit so großer Güte und Liebe umsorgtet. Euer Wesen hatte sich aus dem Alten erhoben und euch zu dem gemacht was ihr jetzt hier seid. Eure Achtsamkeit allem gegenüber und der Respekt gegenüber allen Geschöpfen ebnete euch den Weg. Wer ein Leben schützt und sich damit selbst in Gefahr bringt, ist das höchste Maß an Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit. Die bedingungslose Liebe, die ihr eurer Umgebung schenktet, ohne Wertung ob Tier oder Pflanze, ließ euch unbeschadet in ein neues Zeitalter eintreten. Das Erkennen eurer Fehler im Handeln in euren alten Taten und die Bitte um Verzeihung, wie es bei dem Rehlein geschah, ermöglichte euch den Übergang ohne Kummer und Schmerz. Die Anerkennung, dass ihr als Eltern zum Schüler eures Sohnes wurdet, ließ euer Ego dahinschmelzen. Je rechtschaffener ihr wart, desto leichter wurde eurer neues Dasein geprägt.



Der kleine Martin und der Übergang © Wilfried Neureiter “


 

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